In den letzten Posts dieser Reihe hatte ich vorgestellt, was sinnorientierte Führung ist und warum sie notwendig auch ethische Führung ist. Dabei kam zur Sprache, dass Sinn – im Gegensatz zu wertebasierter Führung – immer eine soziale Situation in sich birgt. In der Organisation kann das auch bedeuten, dass das Sinnbild, auf das hin das gemeinsame Handeln ausgerichtet wird, gemeinsame erstellt oder kokonstruiert wird.

Sinnorientierte Führung in Organisationen ist noch kaum erforscht

Die Wirkung sinnorientierter Führung auf die einzelnen Menschen (seien es Führungskräfte oder Mitarbeiter) waren früher schon angesprochen, aber die Frage, wie sich mit dieser besonderen Führungsphilosophie die Organisation selbst verändert, ist bisher noch kaum erforscht und soll Gegenstand des Nachdenkens in diesem Post sein.

Sinnorientierung und Digitalisierung Hand in Hand

Im ersten Post haben Sie vielleicht schon gelesen, dass sinnorientierte Führung bisher relevante und bewährte Methoden und Instrumente der Führung nicht überflüssig macht, sondern sie sogar benötigt. Das könnte zum Schluss führen, dass alles so bleibt, wie es war. Alleine aber die Digitalisierung mit ihren unzähligen Wirkungen auf kollektives Verhalten und organisationale Strukturen greift bereits tief in die Gestalt der Organisation ein – und sinnorientierte Führung verbindet sich gerade an diesen Stellen sehr gut, denn beide Transformationen zielen auf Demokratisierung und Enthierarchisierung.

Was Sinnorientierte Führung und Führen mit Zielen gemein haben

Die spezifische Wirkung sinnorientierter Führung auf eine Organisation kann man sich vorstellen, wenn man ein gut bekanntes Konstrukt zur Hilfe nimmt, nämlich das Führen mit Zielen oder Management by Objectives. Dessen ursprüngliche Bedeutung war ja, dass die Mitarbeiter erstens eigene Ideen, Motivationen, Ressourcen und Methoden aktivieren, um ein definiertes Ziel zu erreichen, zu dessen Erreichung man ihnen eben freie Bahn lässt. Idealerweise werden derartige Ziele in einem gemeinsamen Gespräch vereinbart und haben ergo die Eigenschaft, geteilt oder „kokonstruiert“ zu sein.

Alle diese Eigenschaften treffen auch auf das sinnorientierte Führen zu, nur mit dem Unterschied, dass Sinnhaftigkeit konkreten und detaillierten Zielen weit übergeordnet ist und eine wesentlich größere Sogkraft auslöst, als ein einzelnes Ziel das jemals vermag. Erinnern Sie sich: Wenn Sie selbst etwas wirklich sinnvoll finden, setzen Sie alles dafür ein, diesen Sinn umzusetzen.

Sinnorientierte Führung ändert Führungsroutinen

Stellen Sie sich vor, die gleiche Kraft würde in Ihrer Organisation das Handeln der Menschen antreiben und ausrichten. Dann sind mit einem Schlage zahlreiche typische „Führungssubstitute“ oder strukturelle Führungsmittel entbehrlich, vor allem solche der Kontrolle und Sanktion. Wenn Sie wirklich davon ausgehen können, dass Ihre Mitarbeiter tun, was sie tun sollen, weil Sie sicher sein können, dass diese das gemeinsame Sinnbild ebenso anstreben wie Sie selbst, dann sind Sie von einem Moment auf den anderen von vielen klassischen Führungsaufgaben befreit.

Typischerweise müssen in einer sinnorientiert geführten Organisation Mitarbeiter nicht kontrolliert, sondern eher nach Hause geschickt werden, damit sie nicht zu viel arbeiten. Interventionen und Mechanismen der Kontrolle, der Leistungsmessung und (externen) Kompensation, sogar typische Routinetätigkeiten wie MbO- und Jahresgespräche oder die Daily standups etc. verlieren an Bedeutung oder verändern ihren Inhalt wesentlich.

Sinnorientierung bringt neue und mitarbeitertaugliche Rahmenbedingungen

Statt dessen werden jedoch neue Führungsaufgaben wichtig, allen voran die Ermächtigung der Menschen, sinnvoll zu arbeiten, was eine große Führungsaufgabe ist. Operative Aufgaben sind das Definieren von Strukturen für die Arbeits- und Aufgabenteilung (auf meinem Weg zum Sinn muss ich wissen, wem ich was zu liefern habe, wer von mir abhängt und was braucht), agile Methoden der Arbeitsplanung, fluide Strukturen interner und externer Kommunikation (die die Digitalisierung bereitstellt), Methoden markt- und kundenbezogener Produktdesigns wie Design thinking und andere mehr. Sie alle wieder benötigen eine klare Ausrichtung der Denkens und Handelns auf einen gemeinsamen Sinn, der stark mit der Ausrichtung auf ein Du, und das heißt hier auf einen (internen oder externen) Kunden zu tun hat – weitere „Sinnelemente“ können hinzutreten.

Es ist kein Zufall, dass alle zuletzt genannten strukturellen Eingriffe in die Organisation sehr gut mit der digitalen Transformation zusammengehen und gleichzeitig den Wünschen und Bedürfnissen der neuen Mitarbeitergenerationen entgegenkommen. Das macht sinnorientierte Führung gleichzeitig zu einer unschlagbar effektiven Philosophie der Führung und zu einem wirksamen Hebel für die Transformation der Organisation auf die Anforderungen ungewisser Märkte und Zeiten hin.