Sinnorientiert führen eine neue Führungsphilosophie für ungewisse Zeiten

Im letzten Post dieser Reihe haben Sie von der anstehenden Neuerscheinung gelesen. Der Band ist inzwischen erschienen. Hier nun der zweite Post der Reihe zum Buch.

Als gestandene und erfahrene Führungskraft wissen Sie, dass neue Moden in der Führung ständig kommen und gehen; jeder HR-Kongress zeigt eine Fülle von Beispielen dafür. Warum dann ein neues Buch über Führung – und warum dem Aufmerksamkeit schenken? Man kann kurz sagen: bekannte Führungsmethoden sagen, wie man handeln soll. Sinnorientierte Führung macht Aussagen dazu, wozu man führen soll.

Gerade eine Führungskraft mit hoher Verantwortung stellt sich permanent die Frage, ob sie nicht nur die Dinge richtig tut, sondern auch die richtigen Dinge tut? Zunächst lässt sich die zweite Frage scheinbar leicht betriebswirtschaftlich beantworten. Mit zunehmender Erfahrung reicht das aber nicht mehr aus. Mit Blick auf die eigene körperliche und seelische Gesundheit und eine endliche Lebenszeit müssen andere Inhalte her, um das eigene Führungshandeln (und seine Kosten!) zu rechtfertigen.

Know why statt Know how – gerade in Krisenzeiten

In belastenden Situationen wie Krisen und Trennungen oder angesichts von persönlichem Leid, das man erfahren oder vielleicht sogar zugefügt hat, stellt sich verschärft die Frage, was noch Sicherheit und Zuversicht über das eigene Handeln und Entscheiden gibt. Gerade angesichts von Leid und persönlichen Zweifeln will die Frage beantwortet sein, wie man die eigene Führungspraxis mit den Perspektiven zusammenbringt, die man für sein persönliches Leben als grundlegend erachtet – das ist der Blick in den sprichwörtlichen Spiegel, in den man schauen können muss. Die Frage nach dem Wozu drängt sich auf – gerade in der Stille des Zweifels, der Krankheit und Depression.

Eine der großen Leistungen Frankls bestand eben darin, die Sinnfrage aus dieser Stille und Dunkelheit befreit und sie wieder zu dem gemacht zu haben, was sie eigentlich ist, nämlich zum Weg zu einer glanzvollen und strahlenden Existenz, und zwar auf der Basis von Geist und Vernunft.

Was ist sinnorientierte Führung?

Sinnorientierte Führung basiert auf dem Denken des österreichischen Psychiaters und Neurologen Prof. Dr. Viktor Frankl (1905-1997). Er hat wie kein anderer vor ihm dargelegt, wie Menschen mit der Sinnfrage umgehen können, wie sie zu verstehen und auf das Leben und Handeln anzuwenden ist. Sinnorientierte Führung ist eine solche, bei der dieses Denken auf das Führen von Menschen angewendet wird, was damit gleichzeitig eine ethische Ausrichtung erhält.

Bedeutsam ist das besonders für Führungskräfte in Zeiten, die zunehmend von Krisen, Disruptionen und Ambivalenzen geprägt sind (VUCA-Welt) und damit die eigene Person und das Wertesystem herausfordern, weil aus der hier nun möglichen Vergewisserung Schaffenskraft, Zuversicht und Resilienz entstehen.

Wozu ist sinnorientierte Führung gut?

Ein solches Denken ist einmal mit Blick auf die neuen Mitarbeitergenerationen bedeutsam. Sie verlangen nämlich nicht nur, ihre Arbeits- und Lebensentwürfen zusammenführen zu können, sondern sie benötigen dringend auch – die andernorts meist fehlenden – bedeutsamen und sinnvollen Perspektiven, auf die hin sie ihre Energie in der Arbeit beziehen können. Eine Führungskraft, die das bieten kann, ist nicht nur eine, der man gerne folgt, sondern auch eine, die ganz neue Energien freisetzen und dabei auf viele tradierte Machtmittel verzichten kann.

Was ist an sinnorientierte Führung anders?

In der sinnorientierten Führung sind ein paar Dinge anders als sonst: Es gibt keine Allmachtsphantasie, kein totales Wirkungsversprechen und keine Erfolgsgarantien. Was hier ausgebreitet wird, erhebt nicht den Anspruch der totalen Neuigkeit. Im Gegenteil: es geht darum, ein Denken für die Führung nutzbar zu machen, das jedem Menschen ohnehin immer schon bekannt und vertraut ist. Über Sinnhaftigkeit nachdenken kann jeder Mensch und tut es auch notwendigerweise.

Zum anderen gibt es keinen Zwang, Bekanntes und Bewährtes über Bord zu werden. Sinnorientierung heißt nicht, dass man Führen neu lernen muss und alles Bisherige wertlos wird. Kompetenzen und Erfahrungen der bisherigen Führung bleiben gültig und sind sogar notwendige Grundlagen. Sie werden lediglich bereichert um eine weitere Dimension, die allerdings das Potential hat, alles Bisherige zu verändern und in ein neues Licht zu stellen.

Sinnorientierte Führung ist weniger als Führungsstil, sondern eher als Führungsphilosophie zu bezeichnen, weil es um ein Nachdenken über das eigene Handeln geht und um eine Besinnung auf eigene Motive und Anliegen. Das Buch leistet die systematische und konsequente Übersetzung auf das Führungshandeln hin und zeigt entlang eines Führungszyklus auf, wie genau Sinnorientierung Führungshandeln inspirieren und transformieren kann.

*Zugleich auch im Blog des Schäffer-Poeschel Verlages erschienen.